Wie lässt sich öffentliche Informationsverantwortung in Zeiten digitaler und multipolarer Kommunikationskultur realisieren? Welche Aufgaben haben der Staat, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Wissenschaft?
Im Mittelpunkt der Debatten um das Funktionieren von Demokratie steht die Frage nach der rechtlichen Ausgestaltung einer neuen Medien- und Kommunikationskultur, die den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gerecht wird. Offensichtlich ist, dass dem Staat in diesem Zusammenhang noch immer eine besondere Verantwortung zukommt. Zum einen muss er die für demokratische Entscheidungsfindung und gesellschaftliche Entwicklung essenzielle neutrale Informationsvermittlung gewährleisten und dabei „Hüter vor sich selbst“ sein. Zum anderen hat er die Rolle eines Garanten im Blick auf einen adäquaten Ausgleich zwischen Kommunikationsfreiheiten und Demokratiesicherung. Weder dürfen Kommunikationsfreiheiten zu sehr eingeengt noch dürfen verzerrende und falsche Informationsweitergaben zugelassen werden, da demokratische Prozesse sonst unterminiert werden könnten; die Wirkmacht der Sozialen Medien ist in diesem Zusammenhang angemessen zu berücksichtigen. Auch einer Spaltung der Informationsgesellschaft, die aufgrund der Vielzahl von – oftmals exklusiv genutzten – Informationsquellen zu befürchten ist, hat der Staat entgegenzuwirken. Mit Blick auf diese Herausforderungen ist nicht zuletzt die Stellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der neuen Medienlandschaft zu adjustieren; Schwerpunktsetzungen sind einzufordern.
Da die Sicherung der Grundlagen demokratischen Entscheidens über transparente und unabhängige Medien aber nicht nur eine nationale, sondern gleichermaßen auch eine europäische Aufgabe ist, sind die Antworten im Mehrebenensystem aufeinander abzustimmen. Für das Europarecht ist der Digital Services Act zentral, der Plattformbetreiber allerdings als reine Wirtschaftsdienste versteht und damit nur bedingt zu adäquaten Lösungen mit Blick auf demokratierelevante Fragen führen kann. Neue Standards für Medienpluralismus und unabhängige Medien enthält der European Media Freedom Act. Dieser aber ist kompetenzrechtlich umstritten und noch nicht in Kraft getreten.
Digital Services Act und European Media Freedom Act geben den Rahmen vor, innerhalb dessen, wie das Abteilungsgutachten im Einzelnen darstellt, die innerstaatlichen Rechtsregeln zu gestalten sind. Die Frage der Informationsverantwortung durch die Wissenschaft wird ergänzend in den Referaten aufgegriffen.
Prof. Dr. Hubertus Gersdorf, Leipzig (Gutachter)
Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg. Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Erstes und Zweites Juristisches Staatsexamen in Hamburg, 1991 Promotion mit der Arbeit „Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland“. 1998 Habilitation mit der Arbeit „Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip. Von 1998 bis 2016 Inhaber der Gerd Bucerius-Stiftungsprofessur für Kommunikationsrecht und Öffentliches Recht an der Juristischen Fakultät der Universität Rostock. Seit Oktober 2016 Inhaber des Lehrstuhls für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Medienrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig.
April 2002 – August 2008 (sachverständiges) Mitglied der Kommission der Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang (GSDZ) der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). April 2010 – April 2013 Sachverständiges Mitglied der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages. Seit 2011 Mitglied des Rechtswissenschaftlichen Beirats der Deutschen Bahn AG. Seit Oktober 2018 Vorsitzender des Vorstands der Mitteldeutschen Vereinigung für Medienrecht e.V. Zahlreiche Veröffentlichungen im Bereich des Öffentlichen Rechts, insbesondere des Infrastruktur- sowie des Medien- und Telekommunikationsrechts.
Prof. Dr. Laura Münkler, Bonn (Referentin)
Laura Münkler studierte von 2004-2009 Rechtswissenschaften in Berlin und legte dort 2009 ihre erste und 2011 ihre zweite juristische Prüfung ab.
Von 2009-2012 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin, von 2012-2020 an der Ludwig-Maximilians-Universität. 2014 wurde sie dort promoviert. 2020 hat sie sich ebenda mit einer Arbeit zu „Expertokratie“ habilitiert.
2021-2022 hatte sie einen Lehrstuhl in Greifswald und 2022-2023 einen Lehrstuhl in Würzburg inne bevor sie 2023 einem Ruf an die Universität Bonn auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie folgte.
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Nellesen, Bonn (Referent)
Studium der Rechtswissenschaften in Köln. Erstes juristisches Staatsexamen 2014, zweites juristisches Staatsexamen 2020 nach dem Referendariat in Köln. Promotion in Köln 2018 bei Prof. Dr. Christian von Coelln, ausgezeichnet mit dem CBH-Promotionspreis. 2014-2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Me-dienrecht der Universität zu Köln. Seit 2020 Rechtsanwalt bei Dolde Mayen & Partner in Bonn. Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins seit 2022. Von 2012 bis 2023 Mitglied im Rat der Stadt Pulheim.
Direktor der LfM NRW Dr. Tobias Schmid, Düsseldorf (Referent)
Dr. Tobias Schmid ist Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LFM NRW) und Europabeauftragter der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). In dieser Funktion leitet er seit Januar 2024 die Arbeitsgruppe EU regulation of digital services – implementation, enforcement and the role of audiovisual regulators der European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA). Seit dem 1. April 2021 ist er zudem Mitglied im Fachausschuss für Kommunikation und Information der Deutschen UNESCO-Kommission, und seit September 2022 Vorsitzender des Bundesfachausschusses für Medien im Deutschen Musikrat.
In den Jahren 2020 und 2021 war Tobias Schmid Vorsitzender der ERGA. Er war von 2005 bis 2016 Bereichsleiter der Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL Deutschland und von September 2010 bis Dezember 2016 als Executive Vice President Governmental Affairs bei der RTL Group tätig. Daneben engagierte sich der promovierte Jurist auch im Verband Privater Rundfunk und Telemedien (heute: VAUNET), von November 2012 bis September 2016 als Vorstandsvorsitzender.
Vizepräsidentin des EGMR a.D. Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, M.A., Köln (Vorsitzende)
Angelika Nußberger ist seit 1.1.2011 Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, seit 1.11.2015 Präsidentin der 5. Sektion und seit 1.2.2017 Vizepräsidentin. 2002 wurde sie nach ihrer Habilitation in München als Professorin für Völkerrecht, öffentliches Recht und Rechtsvergleichung an die Universität zu Köln berufen und übernahm die Leitung des Instituts für osteuropäisches Recht und Rechtsvergleichung. Vor ihrer Tätigkeit in Straßburg war sie Prorektorin für Akademische Karriere, Diversität und Internationales an der Universität zu Köln, Mitglied der Sachverständigenkommission der Internationalen Arbeitsorganisation und stellvertretendes Mitglied der Venedigkommission des Europarats. Sie hatSlawistik, Neuere Deutsche Literatur und Romanistik sowie Rechtswissenschaft studiert. 2015 hat sie den Schader-Preis erhalten.
Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Bonn (Stv. Vorsitzender)
Geboren 1975. 1994/95 Studium der Pharmazie in Greifswald, 1995-1998 der Rechtswissenschaft in Bonn. Referendardienst 1999-2001. Promotion 2001 in Bonn mit einer strafprozessualen Dissertation. 2002-2004 Verwaltungsrichter und Rechtsanwalt; 2004-2009 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bayreuth. Habilitation 1/2009 für die Fächer Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht.Seit Sommersemester 2009 W3-Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. 2014-2021 stellv. Richter am VerfGH NW; 2015-2021 im Nebenamt Richter am OVG NW. Seit 2020 ordentliches Mitglieder der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (Klasse der Geisteswissenschaften). Seit 2020 Mitglied der Ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung der DFG.Forschungsschwerpunkte: Verfassungsrecht, Allgemeines & Europäisches Verwaltungsrecht, Wissenschaftsrecht, Umweltrecht, Pharmakologie & Toxikologie im Recht.
Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg/Göttingen (Stv. Vorsitzender)
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, geboren am 4. Februar 1971 in Hameln/Weser, verheiratet, zwei Kinder. Ab 1991 Studium in Göttingen, 1996 erste juristische Staatsprüfung, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christian Starck, Göttingen, und am Niedersächsischen Staatsgerichtshof, Bückeburg. Ab 2000 Referendariat in Hamburg und Karlsruhe (Bundesverfassungsgericht), 2003 zweites juristisches Staatsexamen. 2004 Promotion an der Georg-August-Universität Göttingen, 2005 Habilitation ebenfalls in Göttingen, Erteilung der Lehrbefugnis für das Fachgebiet Öffentliches Recht einschließlich Steuerrecht. 2009 Verleihung des akademischen Titels „außerplanmäßiger Professor“.
2003 Zulassung als Rechtsanwalt, 2009 Ernennung zum Partner am Hamburger Standort der Sozietät GvW Graf von Westphalen mit Spezialisierung auf Verfassungsrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht. Präsident und Vorsitzender des I. Senats des Anwaltsgerichtshofes der Freien und Hansestadt Hamburg (Präsident seit 2017, Senatsvorsitzender seit 2013, Richter seit 2010), Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Präsidentinnen und Präsidenten der Anwaltsgerichtshöfe der Bundesrepublik Deutschland (seit 2021). Vorsitzender des Vorstandes der gfr Gesellschaft für Rechtspolitik (Veranstalter der Bitburger Gespräche, Vorsitzender seit 2015, Vorstandsmitglied seit 2012). Vorsitzender des Verfassungsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins (DAV, Vorsitzender seit 2021, Mitglied seit 2006). Mitherausgeber der „jM“ (juris – Die Monatszeitschrift, seit 2014).
Gutachter
Prof. Dr. Hubertus Gersdorf, Leipzig
Referentin und Referenten
Prof. Dr. Laura Münkler, Bonn
Rechtsanwalt Dr. Sebastian Nellesen, Bonn
Direktor der LfM NRW Dr. Tobias Schmid, Düsseldorf
Vorsitzende
Vizepräsidentin des EGMR a.D. Prof. Dr. Dr. h.c. Angelika Nußberger, M.A., Köln
Stv. Vorsitzende
Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz, Bonn
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg/Göttingen
Schriftführerin
Wiss. Mitarbeiterin Dr. Paula Rhein-Fischer, Köln
Referate
Mittwoch, 25. September
12:00 bis 13:15 Uhr
Diskussion
Mittwoch, 25. September
14:15 bis 15:30 Uhr
Donnerstag, 26. September
9:30 bis 13:00 Uhr
Diskussion und Beschlussfassung
Donnerstag, 26. September
14:00 bis 18:00 Uhr