Grundrechte in Zeiten der Pandemie
Der Staat muss Leben und Gesundheit schützen – auch und gerade während einer Pandemie. Diese Pflicht hat massive Grundrechtsbeschränkungen notwendig gemacht: Versammlungsrecht, Religionsfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit, schulisches Erziehungsrecht, aber auch Berufs- und Eigentumsfreiheit sind eingeschränkt worden. Diese Eingriffe werden teils noch lange wirken, insbesondere die Eingriffe in die wirtschaftlichen Grundrechte, wenn Unternehmen insolvent werden, Selbständige ihre berufliche Existenz und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz unverschuldet verlieren. Die Eingriffe müssen daher immer wieder auf ihre Rechtfertigung hin geprüft werden: Denn der Kampf gegen die Pandemie darf nicht rechtlos machen. Der Rechtsstaat muss sich auch in Zeiten der Pandemie bewähren.
Was sagt das Grundgesetz? Freiheitsrechte und Schutzpflichten sind im Widerstreit. Nahe liegt der Rückgriff auf die Abwägung von Rechtsgütern und die Herstellung praktischer Konkordanz: Dennoch bleibt Unbehagen, ob diese für Einzelfälle entwickelten Formeln auch Entscheidungen begrenzen oder steuern können, die Risiken für die Gesamtbevölkerung bekämpfen. Welchen Beitrag leistet der Gleichheitssatz? Darf für die Freiheit der gering Gefährdeten, der Jungen und Gesunden, die Freiheit der Vulnerablen, der Alten und Kranken, strenger beschränkt werden?
Antworten muss der Staat in einer Situation tatsächlicher Ungewissheit über das Virus und seine Verbreitungswege geben, auch in Unkenntnis, wann ein Impfstoff oder ein wirksames Gegenmittel zur Verfügung steht. Welche Einschätzungsprärogativen haben die staatlichen Institutionen, wenn sie in einer solchen Situation handeln? Immer droht die Gefahr, dass Bürgerinnen und Bürgern Eingriffe zugemutet werden, die sich im Rückblick als nutzlos erweisen.
Schließlich ist die Gewaltenteilung herausgefordert: Die Zuständigkeiten in der Pandemie sind zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt. Politische Koordinierungen sind möglich und gängige Praxis, aber rechtlich nicht bindend. Entsteht ein unerwünschter Flickenteppich oder ein sinnvoller föderativer Wettstreit um den richtigen Weg im Kampf gegen die Pandemie? Herausgefordert wird aber auch die Machtverteilung zwischen den Gewalten: Wie funktioniert parlamentarische Kontrolle, wenn die Stunde der Exekutive schlägt?
Diesen Fragen soll ein hochrangig besetztes Podium nachgehen.
Leitung
Richter am BVerwG Prof. Dr. Christoph Külpmann, Leipzig/Bremen
Moderation
Korrespondentin Dr. Helene Bubrowski, Berlin
Podium
Präsident des Deutschen Bundestages Dr. Wolfgang Schäuble, MdB, Berlin
Prof. Dr. Anna-Bettina Kaiser, LL.M., Berlin
Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg/Göttingen
Zeit
Freitag, 18. September 2020
13:30 bis 15:30 Uhr