Klimaschutz durch Gerichte?

Der Klimabeschluss des BVerfG vom März 2021 war ein Paukenschlag. Das aus der Taufe gehobene Grundrecht auf intertemporale Freiheitssicherung machte zum Gegenstand rechtlicher Bewertung und richterlicher Verantwortung, was zuvor als Domäne von Gesetzgebung und Regierung angesehen wurde. In internationaler Perspektive ist die Entscheidung des BVerfG zum Klimaschutz allerdings kein Solitär. Auch in anderen Staaten sind die jeweiligen obersten Gerichtshöfe mit Klimaklagen konfrontiert worden. Der Hoge Raad der Niederlande hat den Staat dazu verurteilt, mehr für den Klimaschutz zu tun, als von den politischen Instanzen gewollt und geplant war. Und nicht nur der Staat wird in die Pflicht genommen: Das Zivilgericht für Den Haag hat in einem spektakulären Urteil den Ölkonzern Shell dazu verurteilt, nicht nur die eigenen CO2-Emissionen bis 2030 um 45% zu reduzieren, sondern auch die von seinen Kunden mit Mineralölprodukten verursachten Freisetzungen von Treibhausgasen nach Kräften um diese Marge zu drücken. Die Entscheidungen des BVerfG und der niederländischen Gerichte haben eine Reihe ähnlicher Begehren angestoßen, von den Klimaschutzklagen gegen Autohersteller vor deutschen Zivilgerichten bis zu Beschwerden zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wie auch immer diese Prozesse ausgehen, eines ist gewiss: Der Klimaschutz ist in der Justiz angekommen, und der Streit um das angemessene Maß und die richtigen Instrumente wird bis auf weiteres auch mit rechtlichen Argumenten geführt.

Was ist von dieser Entwicklung zu halten? Ist die Verrechtlichung der Klimaschutzpolitik eine konsequente Weiterentwicklung des Schutzes subjektiver Rechte, insbesondere der Grund- und Menschenrechte? Richtet sich das Gebot, die Rechte anderer nicht durch übermäßige Emissionen zu verletzen, gleichermaßen an den Staat wie auch an Unternehmen und andere private Akteure? Und angenommen, dies wäre der Fall, gibt es Rechtspflichten einzelner Staaten und Unternehmen zum Schutz des Weltklimas, die justiziabel sind und gerichtlich durchgesetzt werden können? Schließlich: Handelt es sich bei alledem um Sonderrecht zur Abwendung einer Katastrophe biblischen Ausmaßes oder um einen verallgemeinerbaren intertemporalen Regelungsanspruch des Rechts und der Gerichte? – Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der Abschlussveranstaltung mit Diskutanten aus Wissenschaft, Anwaltschaft sowie der niederländischen und der internationalen Justiz.

Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL.M., Berlin (Moderation)

ist Professor für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Ökonomik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er wurde 1989 von der Universität Göttingen promoviert und dort 1997 habilitiert. Im Jahre 1995 erwarb er den Grad eines LL.M. von der University of Chicago Law School. Von 1999-2013 war Wagner Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Zivilprozessrecht sowie Konfliktmanagement an der Universität Bonn, 2003 Visiting Fellow am University College, London, und 2010/2011
Visiting Professor of Law, University of Chicago Law School. Er ist Mitglied des
geschäftsführenden Vorstands der Zivilrechtslehrervereinigung und des
Vorstands der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit, Mitglied des European Law Institute und korrespondierendes Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Er ist Mitherausgeber des Archiv für die civilistische Praxis und der Zeitschrift für Europäisches Privatrecht.

Richterin am Gerichtshof Larisa Alwin, Amsterdam (Podium)

Richter am EGMR Dr. h.c. Tim Eicke, Straßburg (Podium)

Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, Berlin (Podium)

Prof. Dr. Christoph Möllers, LL.M., Berlin (Podium)

Moderation

Prof. Dr. Gerhard Wagner, LL. M.,
Berlin

Podium

Richterin am Gerichtshof Larisa Alwin, Amsterdam

Richter am EGMR Dr. h.c. Tim Eicke, Straßburg

Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger, Berlin

Prof. Dr. Christoph Möllers, LL.M., Berlin

Zeit und Ort

Freitag, 23. September
10:00 bis 12:30 Uhr
WCCB, Saal New York